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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 26.1906/​1907

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I. Theil: Abhandlungen
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Weixlgärtner, Arpad: Ein Prunkschrank des Prinzen Eugen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5946#0399

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388

Arpad Weixlgärtncr.

Reich in Europa von jeder Berührung mit der orientalischen Frage abgeschnitten. Als die Pforte den
Frieden begehrte, forderte denn Eugen, Februar 1718, um die Grenzen der Christenheit sicher zu
stellen, die Abtretung Bosnien's und Serbien's auf dem rechten, der Walachei und halben Moldau auf
dem linken Donauufer.» 1 Aber «es war ihm nicht bestimmt, auf dem orientalischen Kriegsschauplatze
vollständigere Erfolge als auf dem französischen zu erndten». Er hatte sich, als er im Herbste 1717
schleunigst Truppen aus Ungarn nach Neapel hätte schicken sollen, geweigert, dies zu tun. Tatsächlich
waren die Soldaten in Ungarn nicht zu entbehren, während man vor der Bedrohung Sardiniens und
Siziliens durch die spanische Flotte keinerlei Angst zu haben brauchte. Aber die spanische Partei am
Wiener Hofe mit dem Grafen Althan oder besser gesagt: dessen schöner, intriganter Gemahlin an der
Spitze war dem Prinzen Eugen schon längst feindlich gesinnt und benützte nun jene Weigerung als
willkommenen Anlaß, um seine Stellung bei dem mißtrauischen Kaiser zu erschüttern. «Mit einem
Worte der Sieger von Belgrad war in formeller Ungnade, in dem Augenblicke, wo er die Zukunft des
Orients in die Hand seines Herrschers zu legen im Begriffe stand. Carl beschloß, so schnell wie mög-
lich mit den Türken Frieden zu schließen, um seine Truppen für Italien verfügbar zu haben. Eugen
bewährte hier aufs neue seine Selbstverläugnung und instruierte selbst, nachdem des Kaisers Befehl er-
theilt war, die Österreichischen Gesandten auf Herabstimmung ihrer Forderungen. Venedig mußte Morea
in der Hand der Türken lassen, Österreich begnügte sich mit Belgrad und einem kleinen Bezirke der
westlichen Walachei und die schönen Träume, die Donau bis zum Pontus zu gewinnen, die Herrschaft
des Halbmondes zu zertrümmern, die entscheidende und führende Macht im Orient zu werden, waren,
wer weiß auf wie lange, zerronnen.»2

Lassen es diese Verhältnisse begreiflich erscheinen, daß der Held den in blutigen Schlachten er-
strittenen Ruhmeskranz in weiser Gelassenheit, wenn auch nicht leichten Sinnes den vernichtenden
Flammen überantwortet, so gewinnt, wenn wir uns wieder der allegorischen Figur am Schrank erinnern,
die diese Stimmung verkörpert, die Vermutung, Eugen habe sich ihn in den nächsten paar Jahren, die
auf den Sieg von Belgrad folgten und ihm mehr Muße gönnten als die vergangenen, selbst machen
lassen, ebensosehr an Wahrscheinlichkeit wie jene, der Kaiser habe damals das Möbel dem Prinzen
verehrt, daran verliert. Die Anschaffung des Schrankes aber etwa mit Eugens edler Bescheidenheit3 im
Widerspruche zu finden, hieße einerseits den prunkliebenden Geist des Zeitalters verkennen und ande-
rerseits Bescheidenheit mit Mangel an Selbstbewußtsein verwechseln. Das Wort «Brave freuen sich
der Tat» gilt eben für alle Zeiten und wie sich Eugen z. B. das Belvedere, das obere und das untere,
von Malern und von Bildhauern mit Verherrlichungen seiner Siege dekorieren ließ, so konnte er sich
auch den Schrank bestellen.

Daß er aber bei dessen künstlerischer Ausstattung gerade die Schlacht von Peterwardein beson-
ders hervorheben ließ, erklärt sich, glaube ich, abermals aus der Geschichte.

«Die Osmanen hatten die Verluste des Carlowitzer Friedens keineswegs verschmerzt. Es war
ihnen gelungen, im Jahre 1711 dem russischen Czaren die Festung Asow wieder zu entreißen; im Jahre
1715 richteten sie ihren Angriff auf die Republik Venedig, um ihr die Halbinsel Morea wieder abzu-
nehmen; sie meinten, daß Österreich nach dem langen französischen Kriege unmöglich werde inter-
venieren können.»4 Aber schon im Laufe des Sommers von 1716 wurde ein Bündnis mit Venedig ge-
schlossen und bei Peterwardein ein Heer von 60.000 Mann zusammengezogen. «Diesesmal war es dem
Prinzen gelungen, durch weitgreifende Ökonomie, militärische und diplomatische Vorkehrungen die
Mängel der früheren Jahre fernzuhalten; als er im Juli im Lager von Futak erschien und den Ober-
befehl antrat, konnte er mit stolzer Freude die vollzählige Mannschaft, die reichen Vorräthe, die wohl

1 Sybel, a. a. O., S. 97 und 98.

2 Sybel, a. a. 0., S. 10; und 106.

3 Ich erinnere nochmals an Balthasar Permosers Marmorstandbild des Prinzen im Belvedere, das ihn als Herkules
darstellt, den Fuß auf den Rücken des Neides setzend und mit der Hand die Öffnung des Hornes der Ruhmes-
göttin verschließend. Abgebildet bei Camillo List, Bildhauer-Arbeiten in Österreich-Ungarn, Wien o. J., Taf. 60, links.

4 Sybel, a. a. 0., S. 90.
 
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